Freitag, 14. September 2012

Hallo liebe Leute, Jaja, lang ist's her... Zu meiner Verteidigung: ich habe fast nie Empfang und wenn doch, keine Zeit. Seit der Grenze zu Oregon fliegen die Meilen nur so dahin, ich laufe mindestens 25 am Tag wenn nichts schieflaeuft und plumpse abends einfach nur noch in meinen Schlafsack, man gerade eben zum Kochen reicht die Motivation (fun fact: seit mind. 3 monaten gibt es jeden Abend Nudeln mit Parmesan und ich mag es immer noch!!). Highlights in Oregon waren die Three Sisters Wilderness, 2 Tage "Ferien" bei meinem cohiker Quest in Eugene, und die Vulkangipfel Mt. Jefferson und Mt. Hood. Die Three Sisters sind drei Vulkane sehr nah beieinander mit viel Schnee drauf, mondlandschaftsartigen Lavafeldern drumrum und wunderwunderschoenen Lupinenwiesen. Da wuerde ich gern mal entspannt und mit viel mehr Zeit herumwandern. Bei Mt. Jefferson gab es richtig viel Schnee, mehr als in der Sierra und ich konnte endlich das sog. "boot skiing" ausprobieren. Dann ist mir bloederweise mein rechter Fuss abgeschmiert... Eine erst harmlos wirkende Stelle an der Hacke ist zur monstroesesten Blase die ich jemals hatte geworden. Krass. So schlimm, dass ich mir die 4 Tage danach Quests Flipflops unter die Fuesse schnueren musste. Zum Glueck war das genau die Strecke, die auf dem ganzen PCT am einfachsten und flachsten ist. Ist mittlerweile gut verheilt und kommt nach mehreren Schuh-OPs, Bandagen und neuen Superfeet-Einlagen auch nicht mehr wieder. Unten am Mt. Hood liegt die Timberline Lodge, die der Anfang einer fantastischen Gluecksstraehne war. Es ist ein sehr sehr schoenes altes Ski-Hotel mit SUPER Essen. Abends hatte ich da einen Kaeseteller mit dem ersten Amerikanischen Kaese, der tatsaechlich des Namens wuerdig war. Und es gab geraeucherte Haselnuesse dazu, ziemlich lecker. Timberline ist unter den hikern fuer sein qualitativ hochwertiges all you can eat fruehstuecksbuffet bekannt, und es war tatsaechlich wirklich toll. Es gab Kaffee in franzoesischen riesen-Tassen-Schuesseln, frisch gepressten Osaft, Waffeln, Obst, Kuechlein, und das uebliche amerikanische Fruehstueck aus Eiern, fleischbaellchen und pancakes. Es waren bestimmt 12 hiker da und wir haben froehlich getafelt und das Personal herumgescheucht. Es fuehlt sich inzwischen ein bisschen komisch an, in netteren Hotels oder Restaurants aufzuschlagen, da unsere Klamotten fleckig und in Fetzen an uns herumbeuteln, die Maenner sind unglaublich baertig und strubbelkoepfig, die Maedels verroht und ebenso strubbelig... Kurz: eine Gruppe hiker unterscheidet sich nur durch geputzte Zaehne und iPhones von einem Haufen Obdachloser. Wir sind aber erstaunlicherweise trotzdem ueberall gern gesehen, denn wir sind ueber jedes Essen ueberaus dankbar und enthusiastisch und wir geben meist ein Heidengeld aus... Jedenfalls hat uns in Timberline ein grosszuegiger Sectionhiker namens Noodles das Fruehstueck spendiert! Am naechsten Tag ging es nach Cascade Locks (am Columbia River, Grenze zu Washington), wo uns prompt und voellig spontan von einem interessierten Paerchen das Abendessen ausgegeben wurde... Unfassbar, die waren supernett und haben uns sogar noch beim oertlichen Trailangel Shrek vorbeigefahren. Shrek ist toll, er laesst die hiker in seinem Garten campen, seine Kueche und sein Wohnzimmer blockieren und sein Badezimmer sprengen. Ich bin nach wie vor ueberwaeltigt von der Grosszuegigkeit und Herzensguete der meisten Leute hier. Aus Cascade Locks ging es ueber die "Bridge of the Gods" nach Washington... Wo es hauptsaechlich Huckleberries (eine Art Blaubeere) und weite Waelder gibt. Spektakulaer waren die Goat Rocks mit alpinen Blumenwiesen (Lupinen, Astern, Anemonen, Fingerhut, Rittersporn, Phlox) und sogar vereisten Schneefeldern. Dort gab es auch den ersten Herbsteinbruch, seitdem sind die Naechte klirrend kalt und die Tage nicht viel waermer, ich bin das erste Mal den ganzen Tag mit meinen Leggings unter den Shorts gelaufen. Der Abstieg von den Goat Rocks war krass, es ging nach einem kleinen Pass steil in die Tiefe ueber einen haarfeinen, windumtosten Grat. Ich war sehr dankbar fuer meine Stoecke und meine Eisenbeine. Die Huckleberries sind superlecker, es gibt verschiedene Sorten die leicht unterschiedlich schmecken, und wenn wir eine besonders gute "patch" finden, setzen wir uns wie die Baeren mitten rein und mampfen losen. Vitamine und so, man will ja keine Skorbut kriegen. Baeren habe ich inzwischen 6 gesehen, 3 davon in Washington beim besagten Beerenmampfen :) die meisten hauen schleunigst ab, wenn sie einen hoeren, aber zwei sind einfach sitzen geblieben und haben nur neugierig ruebergelinst. Schoene Ueberraschungsmomente! Ausserdem gibt es hier oben "elk", die sind in der Dimension zwischen Reh und Elch, sehen aber eher wie grosse, kraeftige Rehe aus. Wunderschoene, elegante Tiere, vor ein paar Tagen sind wir von einer ganzen Herde ueberrascht worden, die froehlich durch den Wald bretterten. Mehr als Elk sieht man aber Elk-Jaeger, die lustigerweise in Tarnanzuegen und mit Pfeil und Bogen, manchmal sogar zu Pferd, durch den Wald stapfen und uns fragen, ob wir welche gesehen oder gehoert haetten. Elk machen ein ganz seltsames Geraeusch um sich zu rufen, es klingt wie ein kieksendes Pfeifen und Tuten, fast, als ob einer Klarinette lernt... Eines Nachts sass ich senkrecht, als ich das zum ersten Mal gehoert habe, bis mir Quest erklaert hat, was das ist. Jedenfalls stehen die Elk Jaeger sehr hoch in meiner Achtung, im Oertchen Trout Lake haben wir uns im Diner mit einem unterhalten, der dann heimlich beim hinausgehen fuer unser Essen bezahlt hat. Unglaublich, ich glaube ich hab in washington nur fuer etwa die Haelfte meiner Mahlzeiten bezahlt! Kurz darauf kam ein Imker aus der Gegend herein und hat allen hikern beim Plausch je eine Flasche selbstgemachtes Met und ein Glas Honig geschenkt. Kaching! Das Met war wirklich superlecker, fast trocken und sehr aromatisch. Trout Lake ist eins meiner Lieblingsoertchen auf dem pct geworden, im kleinen General Store hat die nette Dame uns auch noch Maiskolben geschenkt. Es sind jetzt nur noch etwa 10 Tage bis nach Kanada... Die Motivation ist ungebrochen, aber es scheint mir doch etwas unbegreiflich, wo die Zeit bloss hin entschwunden ist. Viele wollen jetzt einfach nur noch fertig werden und hauen 35Meilen am Tag raus ohne nach links und rechts zu schauen, aber mir kommt Kanada immer noch soooo weit weg vor. Ein letztes Mal werde ich heute meine Klamotten flicken, meine Schuhe ordentlich tapen und meine Socken stopfen, das muesste dann hoffentlich bis zum Schluss halten. Canada, Dude!

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